Quelle: www.tautes-heim.de
Fotos: Ben Buschfeld

Wie sah dieses Haus wohl in den Zwanziger-Jahren aus? Als Ben Buschfeld und seine Frau Katrin Lesser das Reihen-Endhaus zum ersten Mal von innen sahen, wollten Sie vor allem eins: In der Zeit zurückreisen. Damals war es ziemlich heruntergekommen. Grell gemusterte Tapeten hingen in Fetzen von den Wänden, Fliesenreste lagen aufgetürmt im Badezimmer, Schimmel hatte sich in feuchten Ecken breitgemacht. „Doch als wir das Haus betraten, waren wir spontan begeistert davon, wie viel Originalsubstanz hier noch vorhanden war“, erzählt Ben Buschfeld. Es fehlte nur ein Kachelofen und ein oder zwei Türgriffe. „Das ist sensationell. Wir verbrachten ein paar schlaflose Nächte darüber, dann fiel die Entscheidung. Wir wollten das Haus kaufen und nach Möglichkeiten suchen, es wieder so erlebbar zu machen, wie es früher war.“
Familiensache
Bruno Taut wird nicht umsonst „Meister des farbigen Bauens“ genannt. Für ihn bedeutete Farbe Lebensfreude und er verteilte sie großzügig im später von den Hausbesitzern nach ihm benannten „Tauten Heim“. Doch über seine Verwendung von Farben in den Innenräumen seiner Häuser war nicht viel überliefert. Deshalb ließen Katrin Lesser und Ben Buschfeld die Farbschichten restauratorisch untersuchen, fanden heraus, wie die Wände ursprünglich gestrichen waren und verwandelten das Haus wieder in seinen farbenfrohen Originalzustand zurück. Die nächste Aufgabe: Originale Möbel aus den Zwanzigern finden.
„Wenn wir ein Möbelstück nicht gefunden haben, entwarfen wir es selbst. Dafür haben wir uns möglichst genau an historische Vorlagen und Schwarzweiß-Aufnahmen gehalten“, erklärt Ben Buschfeld.
Seine Frau und er wälzten alte Mieter-Magazine mit Einrichtungstipps. Ein Tischler setzte die Entwürfe dann in die Realität um. So entstand Stück für Stück der ursprüngliche Charme des Hauses von neuem.
Alte Lebensfreude

Katrin Lessers Familiengeschichte verbindet sie mit Bruno Taut, dem berühmten Architekten des Hauses. Ihr Urgroßvater Ludwig Lesser war, ebenso wie sie, Gartenarchitekt und plante gemeinsam mit Bruno Taut die Berliner Gartenstadt Falkenberg. So war es zugleich persönliches und historisches Interesse, dank dem das Paar zwei Jahre lang seine Wochenenden damit verbrachte, das Haus möglichst denkmalgerecht wieder herzurichten. Viele Leistungen übernahmen sie selbst, um Kosten zu sparen. Sie verlegten die neuen Leitungen, erneuerten den Putz, tauschten Holzteile aus. Größere und komplexere Maßnahmen übernahmen Handwerker und Restaurateure. Darunter fiel zum Beispiel die Sanierung des denkmalgeschützten Beton-Pultdaches. Einer der letzten Fachleute, die das Wissen noch haben, rührte Steinholzboden für die Küche nach historischem Rezept an. Der in den 20er-Jahren typische Boden besteht aus einer Mischung aus Zement und Sägespänen.
Ein Stück Freiheit
Das Taute Heim ist nur 65 Quadratmeter groß und trotzdem für bis zu vier Personen ausgelegt. Im Erdgeschoss befindet sich die Küche und eine Wohnstube. Wenn Sie die geschwungene Treppe mit den roten Akzenten nach oben gehen, finden Sie ein großes Schlafzimmer sowie eine weitere Schlafkammer und ein kleines Badezimmer vor. Im rund 200 Quadratmeter großen Garten wachsen alte und nachgepflanzte Obstbäume, eine duftende Apfelrosenhecke und Staudenbeete. Der große Garten ist Teil der Geschichte, die das Haus umspannt. „Licht, Luft und Sonne“ hieß damals das Motto der Städtebauer. Die Bewohner kehrten der bedrückenden Enge und den dunklen Hinterhöfen der Berliner Arbeiterquartiere den Rücken zu und zogen in die Reihenhäuser mit großen Grünflächen und dörflicher Atmosphäre. Bruno Taut schuf die sogenannte Hufeisensiedlung, zu der das „Taute Haus“ gehört, und die 2008 zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt wurde.

Zeitreise für Jedermann
Diesen Schatz wollten die Hausbesitzer nicht für sich behalten, sondern mit möglichst vielen anderen teilen. „Das ist ein Projekt von Liebhabern für Liebhaber“, beschloss Ben Buschfeld. Deshalb entschieden sie sich, das Haus in ein bewohnbares Museum zu verwandeln. Hier können sich Besucher einmieten und ein paar Tage in dem Haus wohnen. Für das Ehepaar bedeutete das, dass sie die perfekte Balance zwischen modernem Luxus und dem ursprünglichen Aussehen des Hauses finden mussten. Kühlschrank, Spülmaschine und Co. versteckten sie unauffällig. Der Ofen ist historisch, aber immer noch in Gebrauch. Es gibt WLAN, Waschmaschine und Trockner. Eine Zentralheizung unterstützt die drei Kachelöfen tatkräftig. Nur einen Fernseher gibt es nicht – der passt wirklich nicht in die Atmosphäre der Zwanziger. „Mein neustes Lieblingsstück ist ein aufgearbeitetes Bakelit-Radio der Firma Mende aus 1932 – mit einem versteckt eingebauten iPod- oder Laptop-Anschluss auf der Rückseite“, schmunzelt Ben Buschfeld.
Lebendes Museum
Die liebevollen Details und Bilder, die die Zwanziger-Atmosphäre im Haus lebendig machen, fand das Paar auf Flohmärkten. „Ein besonderes Stück ist das von Katrin angefertigte halb ironisch, halb programmatisch zu verstehende Häkelbild“, erzählt Ben Buschfeld. Das verkündet „Tautes Heim, Glück allein“ und damit das Motto des Hauses. Dass in diesem museumsartigen Haus tatsächlich gewohnt wird, gehört für das Paar zum Denkmalschutzgedanken. „Architektur und Design sind dafür entwickelt, dass wir sie benutzen“, erklärt der Hausbesitzer. „Ein Designobjekt, das ich nicht benutzen kann, kann ich auch nicht verstehen.“
Architektur und Design sind dafür entwickelt, dass wir sie benutzen“, erklärt der Hausbesitzer. „Ein Designobjekt, das ich nicht benutzen kann, kann ich auch nicht verstehen.“
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