Oldtimer

Das Haus „Kemper“ des berühmten österreichischen Architekten Richard Neutra erstrahlt in Wuppertal in neuem Glanz.

Fotos: Frank Peterschroeder / Schüco

Richard Neutra ist einer der berühmtesten Architekten des 20. Jahrhunderts. Obwohl er aus Österreich stammt, baute er nur selten in Europa. Stattdessen zog es ihn in die USA, wo Neutra mit seinen modernistischen Wohnhäusern den kalifornischen Architekturtraum der 1950er bis 1960er Jahre prägte. Seine Markenzeichen: große Fenster- und Wasserflächen, filigrane flache Dächer. Eines von weniger als 20 Häusern, die in Europa stehen, ist das Haus „Kemper“. Er entwarf es für die gleichnamige Familie in den 60er Jahren auf einem reizvollen Grundstück auf einer Anhöhe in Gelpetal bei Wuppertal. Neutra entwarf drei Baukörper, die locker miteinander verbunden sind und in denen sich auf 380 Quadratmetern alles befindet, was ein Haus benötigt – vom ­Au-pair-Zimmer bis zum „Gentlemen‘s Room“.

Den Großteil seiner Häuser baute der berühmte Architekt in Los Angeles. Eine Ausnahme steht in Wuppertal: das Haus „Kemper“.

Back to back

Nach nur sieben Jahren ging das Haus an einen neuen Besitzer über. In den folgenden Jahrzehnten wurde es mehrfach umgebaut. Dies veränderte den ursprünglichen Charakter des Hauses komplett. Auftritt Manfred und Sarah Hering. Ihr Ziel: das Original wiederherstellen. Als Inhaber von „Early 911S“, einer Manufaktur für die original-getreue Restaurierung klassischer Porsche Automobile, kennen sie die Herausforderung.

Wir haben während der Sanierung jeden Tag dazugelernt.“ – Manfred und Sarah Hering

Das Volumen wird aufgelöst durch die Transparenz der Fassade und „reflection pools“, in deren Wasserflächen sich Himmel und Natur spiegeln.

Auf Spurensuche

Wie war der ursprüngliche Zustand? Das zu rekonstruieren war die größte Herausforderung. „Wir haben während der Sanierung jeden Tag dazugelernt“, erzählt Manfred Hering. „Alte Pläne und Bilder aus der Bauzeit, aber auch Besuche im nahe gelegenen Haus Pescher von Richard Neutra, das sich noch zu großen Teilen im Originalzustand befindet, haben uns weitergeholfen.“ Wie bei den alten Porsche Automobilen – die so restauriert werden, wie sie damals vom Band gelaufen sind – wollten die Bauherren das Haus in den Zustand von damals zurückversetzen. Dazu gehörte, beschädigte Teile zu ersetzen. Wo ein Erhalt wegen schadhafter oder nicht mehr originalgetreuer Materialien nicht möglich war, wurden die neu eingebauten Elemente mit einer Patina versehen.

Geheimnis lüften

Über das Fotoarchiv des Architekturfotografen Karl Hugo Schmölz und das behutsame Offenlegen von Schichten konnte die Wand zwischen Wohn- und Essbereich, die auf der einen Seite aus Palisanderholz und auf der anderen Seite aus Esche besteht, gerettet werden. Auch die Travertinböden im Innenraum und im Außenbereich wurden aufbereitet, ebenso Neutras horizontale Lichtbänder in der Decke. Ungewöhnlich war die Herangehensweise der Bauherren in einem weiteren Punkt: Das Paar bewohnte das Haus während des gesamten Umbaus. Denn nur so konnten sie Raum für Raum auf Spurensuche gehen und direkten Einfluss auf jede Entscheidung nehmen.

Eine Pergola mit den für Neutra typischen „spider legs“ und mit über die Fassade auskragenden, von Stützen abgefangenen Dachbalken verlängert den Wohnraum in die Natur.

Sonderkonstruktion

Gerade bei den großzügigen Festverglasungen und Schiebelementen mit ihren extrem filigranen Rahmen und Pfosten war die Anpassung an die heutigen technischen Anforderungen eine große Herausforderung. In einigen Bereichen waren die ursprünglichen Fenster noch erhalten und dienten als Blaupause für die neuen Glaselemente. Auch hier ist die Analogie zur Restauration der Oldtimer unverkennbar: Erfindungsreichtum und die Zusammenarbeit mit den passenden Partnern sind das Erfolgsrezept. Zusammen mit Alubau Puhlmann und Schüco entstand eine Sonderkonstruktion, die die statischen Anforderungen an die großformatigen Elemente erfüllt und eine manuelle Bedienung der Schiebeelemente mit filigranen Griffen erlaubt. Eine besondere Herausforderung bestand darin, die notwendige Dichtigkeit und Verriegelung zwischen feststehenden und verschiebbaren Elementen zu gewährleisten. In den schmalen Blendrahmen sind kontaktlose Stromüberträger für die Verriegelung integriert, während für die Abdichtungsprofile mit dem 3D-Drucker der Entwicklungsabteilung von Schüco gearbeitet wurde.

Zeitlos gültig

Die Antwort auf die Frage, ob die Bauherren und neuen Bewohner etwas anders gemacht hätten, wenn Architekt Richard Neutra für sie gebaut hätte, ist eindeutig: Das Haus ist perfekt, so wie es ist. Auch sechs Jahrzehnte nach seinem Bau überzeugt der durchdachte Grundriss und die Verbundenheit mit der umliegenden Natur.

„Vom Schandfleck zum Juwel! Mich faszinieren Vorher-Nachher-Fotos von Umbau-Reportagen. Sie zeigen, welche Schätze sich in scheinbar unansehlichen Beständsgebäuden verbergen.“

– Monika Läufle

Unsere Partner


Das könnte dich auch interessieren:

  • Meister der Farben

    Meister der Farben

    Das kunterbunte „Taute Heim“ aus den 1920er-Jahren ist Museum und Ferienhaus in einem.

  • On Top

    On Top

    Bezahlbare Grundstücke in Städten sind Mangelware. Familie Wagner hat einem­ Dach ein Geschoss obendrauf gesetzt.