Vom Geisterhof zum Auszeitparadies

So wurde ein alter Bauernhof zur Wellnessoase für Feriengäste.

Fotos: Rathscheck
Redaktion: Rebecca Frick

Die erste Begegnung liegt mehr als ein Jahrzehnt zurück. Auf einer ausgedehnten Radtour durch die ostbelgischen Eifel-Ardennen streifte das Ehepaar auch den Weiler Stefanshof – ein Geisterdorf mit morbidem Charme. Fünf heruntergekommene Häuser, der kleinste Friedhof Belgiens, die ungewöhnliche Ruhe irgendwo im Nirgendwo und ein wunderschöner Ausblick vom Hügel auf sattgrüne Felder und Wälder hinterließen einen bleibenden Eindruck.

Das Ehepaar Heck hatte eine Vision und schuf ein Ferienhaus der Extraklasse.

„Wir haben uns damals sofort in dieses Fleckchen Erde verliebt“, erinnert sich Christianne Heck.

Der letzte Bewohner des Stefanshofes starb 2011. Als das Gebäude 2019 zum Verkauf stand, war es bereits bis auf die Grundmauern marode. „Ich entdeckte das Verkaufsschild wie der Zufall es will bei einer zweiten Radtour“, erzählt Philippe Heck. Das war sowohl die Stunde der Erinnerung als auch eines Neubeginns: „Ich kam nach Hause und sagte zu meiner Frau: Ich muss Dir da mal was zeigen.“ Nach nur einer Woche Bedenkzeit, („es war ein schneller Entschluss“) unterschrieb das Ehepaar den Kaufvertrag – und erwarb eine Ruine mit sechs Hektar Grünland. „Ich träumte von einer kleinen Rinderzucht“, schmunzelt Heck, der als Banker und Versicherungsexperte allerdings auch betriebswirtschaftliches Denken gewohnt und auf Rentabilität bedacht ist: „So kam uns die Idee, aus dem Kleinod ein besonderes Ferienhaus zu machen.“ Für Flamen und Niederländer sind die ostbelgischen Ardennen mit der deutschsprachigen Enklave rund um Ameln, Schoppen und Bütgenbach „das erste Gebirge hinter dem Flachland“, lacht Heck, für Großstädter aus Nordrhein-Westfalen ein schnell erreichbares Kurzurlaubsziel. Aus der Ruine wurde ein Luxus-Domizil geboren. Zehn Schlafzimmer mit eigenen Bädern, ein Indoor-Pool, ein Wellnessbereich, ein Konferenzabteil („oder Spielraum für die Kinder“) sowie eine offene Bilderbuch-Küche und ein großzügiger Wohn- und Essbereich mit überdachtem Grillplatz vor den Glasflächen bieten Platz für entspannte Auszeiten von Großfamilien und Freundeskreisen. Oder für Konferenzen im privaten Ambiente der Abgeschiedenheit.

Komplett entkernt

Stilvoll kombinierten Christianne und Philippe Heck rustikale und moderne Elemente zu einer puristischen Interpretation des ländlichen Lebens: Das ehemalige Wohngebäude wurde komplett entkernt („es standen nur noch die Außenwände“), mit Kork und Holzwolle gedämmt, die Wände mit Kalk- und Lehmputzen sowie Eichenpaneelen veredelt. Alte Bruchsteine wurden aufgearbeitet und verleihen den Bädern rustikale Eleganz. Auf den Grundmauern der ehemaligen Scheune (Heck: „Hier durften wir uns im Rahmen des Bestandes bewegen.“) entstand ein neuer Aufbau nahezu komplett aus massivem Fichtenholz in Kombination mit Natursteinen, Glas und Metall. Alt und neu bilden im Stefanshof von der Bodenplatte bis zum Dach eine harmonische Einheit. Dabei legten die Bauherren gemeinsam mit dem Architekten Pascal Heinen besonderen Wert auf natürliche Materialien – klassisch, modern und nachhaltig. „Uns war und ist es ein großes Anliegen, mit den Ressourcen unserer Erde sorgsam umzugehen“, betont der Bauherr. Verbindende Elemente sind neben den belgischen Blausteinen auf den Böden die anthrazit schimmernden Natursteine auf dem Dach. Während der Altbau in Reminiszenz an die traditionelle Bauweise mit geschwungenen Schieferdecksteinen im Bogenschnittformat eingedeckt wurde, erhielt der Anbau ein minimalistisch-schlicht anmutendes Schieferdach mit Rechtecksteinen. Der Clou: Bündig zwischen den Decksteinen verstecken sich auf der Südseite ästhetisch ansprechend 240 integrierte, dunkle Photovoltaik-Module im zeitlosen Rathscheck-Schiefer-System – für ­Familie Heck eine Investition in die grüne Zukunft:

Bei einer maximalen Gesamtleistung von rund 12 Kilowatt-Peak könnten wir das Haus bei entsprechender Witterung rein rechnerisch nahezu autark mit Energie versorgen.“

Gäste genießen im Feriendomizil viele schöne Plätzchen und jede Menge entspannte Auszeiten.

Turbulente Geschichte

Strom gab es in der wechselvollen Geschichte des kleinen Weilers lange nicht: Das elektrische Licht kam erst in den 50er Jahren, ein öffentlicher Wasseranschluss in den 70er Jahren. Entstanden ist die Mini-Siedlung aus fünf verstreuten Häusern der Bauernfamilie Mathonet zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Im zweiten Weltkrieg errangen die Gehöfte zweifelhafte Berühmtheit, als es während der Ardennen offensive Bomben über der einsamen Gegend hagelte: 300 deutsche Soldaten hielten auf dem Hügel die Stellung. Während der Kampfhandlungen zum Jahreswechsel 44/45 starb mit der 56-jährigen Adele eine Bewohnerin des Familien-Anwesens. „Weil sie nicht im Nachbardorf beerdigt werden konnte, erhielt der Stefanshof Belgiens kleinsten Friedhof, der sich heute kurz hinter unserer Einfahrt hinter Hecken und Sträuchern versteckt“, erzählen die Bauherren.

Auf einer Radtour durch die ­Eifel-Ardennen begegnete das Paar dem Stefanshof.

Rundum glücklich

Kaum zwei Jahre sind vergangen zwischen den Aufräumarbeiten und dem Erstbezug. Mit ihrer Ferienhaus-Idee gab das Ehepaar dem ehemaligen Geisterdorf eine neue Zukunft als nachhaltiges Auszeitparadies. Rund um das versteckt hinter hohen Bäumen liegende Anwesen ist ein Wiesen- und Wildblumengarten mit einem eigenen Spielplatz entstanden. Die Spielgeräte aus Robinienholz hat der Hausherr übrigens persönlich gezimmert. Ob aus dem Zuhause für Gäste später auch einmal ein eigenes wird? Christianne Heck lächelt und lässt es offen: „Wir können uns vorstellen, irgendwann hier auch einmal selbst zu wohnen und nebenbei vielleicht ein kleines Bed & Breakfast zu betreiben.“

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